Einfachheit ist Trumpf

Berlin 190703 - Kasse am Media Markt, weibl. Verkaeuferin um die 50:

Ist das etwa eine echte Milchtuete oder soll die nur so aussehen als ob sie echt waere?

Ueber das Verkaufsmoment sollte man im Entwurfsprozess erst mal nicht nachdenken, denn das wuerde die Entwurfsqualitaet beeintraechtigen. Ich glaube heute immer noch das es zu einem besseren Ergebnis fuehrt ueber gutes Design nachzudenken, als das Gehirn mit der Frage nach gutem Geld abzulenken. Ueber das Geldverdienen nachzudenken, ist verstaendlich bei dem ganzen Rummel um einen herum, aber im Entwurfsprozess hat man sich exakt auf die fuer ein optimales Ergebnis relevanten Sachzwaenge zu fokussieren.

Wenn Du nicht mehr ohne den Zusatzgedanken des Geldverdienens entwerfen kannst, dann solltest du mal Stop machen.

Die beiden Prozesse des Geldverdienens einerseits und des Entwerfens andererseits muessen sauber getrennt bleiben, was ja nicht heisst, dass sich an einen erfolgreichen Entwurfsprozess Verwertungsbemuehungen anschliessen koennen. Dafuer gibt es dann separate Kompetenzen, das muessen nicht zwingend Designer sein.

Wann ist Dir die Idee zum dem Faltportemonnaie gekommen?

Ich habe 1989 zur Diplomfeier meines aelteren Bruders das erste Faltportemonnaie dieser Art als Geschenk hergestellt, also erfunden. Eigentlich wuerde man besser sagen gefunden, es war wie eine Entdeckung, weil es ja lediglich die Kombination von Bekanntem war: Die aus Nordafrika bekannte Falttechnik aus Leder angewendet auf eine Giebeldachpackung unserer gelben Wertstofftonnen.

Wie kommt man darauf?

Das ging alles sehr schnell ... Du kennst das vielleicht, man will was Gutes machen, richtig gut; ich hatte nichts vorbereitet, das Uebliche vielleicht ein Wein, eine CD oder ein Pflaenzchen mit oder ohne Erde ... wie man das dann eben leichtfertigerweise so macht, besser als nix ... war dem Anlass dieses Mal aber alles nicht gerecht.

Ja ich glaube schon da war ein sehr intensiver Herzenswunsch, anerkennend für das Designdiplom, etwas wirklich Beeindruckendes und Erfreuliches selber zu machen und dann lief das Ding schon, ohne lange nachzudenken .... flop - fertig war das erste Faltprotemonnaie!

Warum findest Du das so genial? 

Weil es so einfach ist, ganz ohne Zusatzmaterial, das gefaellt mir, das ist richtungsweisend, haette ja eigentlich jeder drauf kommen können .... kommt aber niemand. Heute gibt es so viele Varianten von diesen Getraenkepackungsverwurstungsprodukten am Markt mit Kleben, Naehen, Druckknopf, Klett und pipapo - das mag zwar fuer die jeweiligen Autoren interessant sein, weil es sich dann eben vielleicht doch nicht jeder selber machen kann, konsekutive sich die Dinger besser verkaufen lassen, aber darum geht es erstmal nicht, denn wenn ich mich ernsthaft mit Recycling Design beschaeftige, dann ist das in erster Linie ein Umweltanliegen und da gehoert das selber machen (koennen) ganz selbstverstaendlich zu den Gewinnern.

Die Leute kaufen das dann uebrigens aus unterschiedliche Gruenden trotzdem, und wenn es aufgebraucht ist machen sie sich das Naechste eben selber ... das ist korrekt und mehr sollte man nicht erwarten!

Normalerweise verstecken sich die Leute hinter sogenanntem Fachwissen, vielleicht gehoert solche Faehigkeit auch in diese Schublade, es ist ja definitiv eine Art Expertise, mittels des Zusammenfuegens bekannter Zusammenhänge/Dinge wirklich Neues zu erzeugen. Um Innovation imaginieren zu koennen sollte man als Designer das Querdenken trainieren (und das ist mir sehr ernst), so wie die Leute in anderen Studienfaechern das BGB (Iura) beherrschen muessen, die Inhalte des Physikums (Medizin) oder die Baukonstruktionslehre (Architektur). Das ist ja richtig schwere Arbeit, viel Pauken, und wird dann in diesen Studiengaengen sogar als halsbrecherisches Kriterium verwendet. In Kunst und Design gibt es solche Wissenspakete nicht, auch wenn das natuerlich sehr praktisch waere. Daher kommt ja die Versuchung Nebenschauplaetze so absurd aufzuplustern, bis die Studierenden das eigentliche Entwerfen nicht mehr sehen und nicht mehr trainieren, so etwas ist in der Lehre hochgradig toericht. Das Querdenken zu trainieren erfordert ebensoviel intensive Auseinandersetzung und Beschaeftigung mit Entwurf und nichts anderem, sonst wird da nichts draus. Deine Wahrnehmung und Deine Vorstellung schulst Du durch Gebrauch, genauso wie Du die Muskeln durch Beanspruchung trainierst.

Durch die Omnipraesens von Produktdesign, in diesem Fall die Kleingeldboerse, kommen Leute mit den Entwuerfen in Kontakt, die never ever meine Seite besucht haetten: So ein Nadelstreif an der Kasse spricht mich drauf an und sagt chapeau, das Oemchen an der Kasse meint nur, damit klaut Dir so schnell keiner das Geld ... das Denken anregen, warum fragen lernen ... das funktioniert bei diesem Faltportemonnaie sehr gut, weit ueber die wie ist das gemacht Frage hinaus. Einmal gesehen, immer reproduzierbar. Von dem sog. Rohstoff gibt es ja mehr als uns lieb ist. Und nun faengt man an, seine Milch eher noch nach der Verpackung als demm Inhalt auszuwaehlen ... gibt da (international) echt huebsche Motive. Naechster Schritt ist, einen Abfueller zu ueberreden den Tip zur Weiternutzung der Packung gleich mit auf den Weg zu geben, schon in der Bedruckung mit zu liefern, durch die Info HowToDoIt eingebettet in ein geschmackvolles Packungsdesign. Man koennte ja meinen, daß Leute ein Recyclingprodukt verwenden, weil sie das quasi zum Nulltarif selber herstellen koennen, aber das stimmt in diesem Falle garnicht. Die Leute finden das HIP, es gefaellt Ihnen sich damit von der Masse abzuheben und es liegt ja aktuell naeher am Lifestyle als je zuvor.

Leute die eigentlich Nullbock auf second hand oder Recycling haben ueberwinden diese Huerde mit diesem Produkt leichter, machen sich sogar interessant mit dem Muell, den sie taeglich selber produzieren ...

Weil als einziges Prinzip für die Weltrettung ein massiv verringerter Ressourcenverbrauch imaginiebar ist, heisst die Devise Vermeidung wo immer es geht. Da ist diese Form des Homemade Recycling geradezu ein Volltreffer. Qualitaet im Kleinen Lernen um sie dann im Grossen zu multiplizieren Auf die Produktion eines Kleingeldportemonnaies zu verzichten spart Energie und Material, ist insofern schon ein Mehrwert fuer die Umwelt. Darueber hinaus entspringt Lernwert und Kommunikationswert.